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Vadim



1997 im Hof der UdK

Vadim Glowna







Herr Glowna, seit mehr als drei Jahrzehnten stehen Sie im Film für gesellschaftliche Außenseiter. Kann man sagen, Sie haben Zuflucht genommen im Außenseitertum?

Ich weiß nicht, ob man da Zuflucht nehmen kann. Ich glaube, man wird auserwählt für eine Rolle, weil man bestimmtes signalisiert, oder im übelsten Fall, weil man sich in solchen Rollen bewährt hat.

                                                 
Was signalisieren Sie?

Es wird über mich gesagt, der Glowna ist festgelegt auf Außenseiter, getretene Kreaturen, Bösewichter, was ja in sich schon drei Widersprüche sind. Das hat mich erst irritiert und geärgert, weil ich dachte, da haben die Leute nicht genau geschaut. Was heißt hier Außenseiter,  was heißt hier Bösewicht oder getreten Kreatur, um diese drei zu nehmen?
Denn sie sind ja alle doch sehr verschieden, sind von verschiedenen Punkten ausgegangen.
Sie haben vielleicht etwas ähnliches erlitten, aber sich daraus auf verschiedene Art freigemacht, oder haben gekämpft, oder verloren, oder sind aggressiv geworden.
Widerstand bedeutet ja nicht nur Kraft, Physis. Es bedeutet auch Denken, Intelligenz, wenn man überleben will. Auch ein Mindestmaß an Schlauheit oder Erfahrung.

Interview


 



"Wer Nachteile trägt wird sich weigern, künftig Opfer zu bringen. die auf blosser Dressur zu Unfreiheit gründen."
Der Benachteiligte hat unmittelbar Motive zum Nachdenken - Ist Ihre Arbeit eine Annäherung an diese Gedanken?

Es gab mal einen Buchtitel von einem Mann, der über Hörspiele reflektierte: "Sprich damit ich dich sehe!" Sprechen heißt auch erzählen. Was erzählst du mir? Wie erzählst du mir? Worauf soll ich achten, bei dem was du mir erzählst? ... und was nehme ich davon mit nach Hause?
Die Arbeit, die ein Schauspieler oder Regisseur macht, ist: er erzählt Geschichten. Damit kann ich unterhalten, ich kann die Leute belustigen. Aber die Komik oder Komödie, vielleicht fürchte ich mich auch ein bißchen davor und müsste das gar nicht.
Von anderen Sachen kann ich besser berichten und das andere kann ich ja noch lernen.
Ein Geschichtenerzähler im Orient erzählt 1000 mal die Geschichte von ... und die wird jedesmal anders ausfallen. Jeden Abend ist da ein anderes Publikum, ist da eine andere persönliche Disposition, Stimmung.
Wenn man bei all dem noch ein guter Geschichtenerzähler ist, heißt das nicht nur, dass man viele Geschichten erzählt, sondern dass man geschickt Geschichten erzählt. Und dass man wie im Kasperltheater darauf hinweisen kann, jetzt kommt der Räuberhauptmann, jetzt kommt das Krokodil, oder jetzt muss die Prinzessin gerettet werden, muss man die Klappe rausholen..
Das macht ein Geschichtenerzähler in Port Said oder in Marokko auch nicht anders.
Das sind ja die Tricks und das Wissen über die Manipulierbarkeit eines Publikums, eines Zuhörers.

"Sprich, damit ich dich sehe!" ist jetzt der Hörspielbegriff, deshalb kommt es auf die Genauigkeit, auf die Farbigkeit, auf das Interessante an, auf das Neue, auf das Bewährte auch, dass im Kopf Bilder entstehen. Das ist wie bei jemand, der ein Buch liest. Möglicherweise wird daraus ein Film, aber er zunächst mal, beim Lesen, hat er seinen eigenen Film im Kopf. Wenn er dann später, im Kino, diese Geschichte nochmal sieht, wird er sagen; `Komisch, hab ich ganz anders gesehen, meine Version war besser, oder seine war besser.´  Das ist doch das, was Unterhaltung im besten Sinne ausmacht, dass man erzählt, anregt oder belustigt.

Interview mit Vadim Glowna






Warum sind die lächerlich?

Weil sie sich lächerlich benehmen. Das heißt, sie sind zum Lachen. Sie handeln unter ihrem Niveau. Sie sind verblendet, weil sie ihre Jugend, oder ihr Alter unterschätzen. Weil sie glauben, sie können es noch mal ebenbürtig mit Jungen aufnehmen. Dabei wird ihnen klar, das sie das nicht mehr sind und dass ihre persönliche, gewachsene, gesellschaftliche Stellung so nicht mehr existiert und das Fundament nicht mehr stimmt.
Das kann ein schmerzhafter Prozess sein. Kann auch ein heilsamer sein, aber so wie sie sich benehmen, fordert das zum Lachen, weil sie so tun, als seien sie junge Hirsche, sind aber sehr alte Böcke.







Sie sind in einer Lebensphase, in der langsam etwas beginnt, was man einst Spätwerk nennen wird. Wie gehen Sie damit um, älter zu werden?

Ja, aber es gibt nicht das Spätwerk, wie das vielleicht bei Komponisten ist. Ich habe jetzt sechs Kinofilme  und 30 Fernsehfilme gemacht. Ich möchte gerne für mich den gültigen Kinofilm machen. Solange ich das noch will, bin ich hungrig und solange bin ich auch sicher vital. Wenn ich auch das Gefühl hätte, er wäre es, würde ich es mir wahrscheinlich ausreden und sagen, der war es auch noch nicht.
Ich kann mir auch vorstellen, dann zu sagen und jetzt möchte ich noch den und den Shakespeare spielen, den ich aus Altersgründen noch nicht spielen konnte. Was soll ich mit 30 den König Lear spielen. Aber das kann ich noch mit 70.
Mit 70 muss ich nicht mehr Regisseur sein. Da gibt es dann schon zwei Generationen, die nachgefolgt sind. Aber vielleicht auch das, auch Zinnemann und andere haben ja noch in hohem Alter Filme gedreht. Aber ich glaube, es gibt immer eine Art Chef d´Oeuvre und das ist nicht an einem selbst, das zu beurteilen. Das sagen dann andere. Aber einen für mich gültigen, den 100% am nächsten gekommenen, was immer das jetzt heisst, das wünsch ich mir selber.