Interview


 



"Wer Nachteile trägt wird sich weigern, künftig Opfer zu bringen. die auf blosser Dressur zu Unfreiheit gründen."
Der Benachteiligte hat unmittelbar Motive zum Nachdenken - Ist Ihre Arbeit eine Annäherung an diese Gedanken?

Es gab mal einen Buchtitel von einem Mann, der über Hörspiele reflektierte: "Sprich damit ich dich sehe!" Sprechen heißt auch erzählen. Was erzählst du mir? Wie erzählst du mir? Worauf soll ich achten, bei dem was du mir erzählst? ... und was nehme ich davon mit nach Hause?
Die Arbeit, die ein Schauspieler oder Regisseur macht, ist: er erzählt Geschichten. Damit kann ich unterhalten, ich kann die Leute belustigen. Aber die Komik oder Komödie, vielleicht fürchte ich mich auch ein bißchen davor und müsste das gar nicht.
Von anderen Sachen kann ich besser berichten und das andere kann ich ja noch lernen.
Ein Geschichtenerzähler im Orient erzählt 1000 mal die Geschichte von ... und die wird jedesmal anders ausfallen. Jeden Abend ist da ein anderes Publikum, ist da eine andere persönliche Disposition, Stimmung.
Wenn man bei all dem noch ein guter Geschichtenerzähler ist, heißt das nicht nur, dass man viele Geschichten erzählt, sondern dass man geschickt Geschichten erzählt. Und dass man wie im Kasperltheater darauf hinweisen kann, jetzt kommt der Räuberhauptmann, jetzt kommt das Krokodil, oder jetzt muss die Prinzessin gerettet werden, muss man die Klappe rausholen..
Das macht ein Geschichtenerzähler in Port Said oder in Marokko auch nicht anders.
Das sind ja die Tricks und das Wissen über die Manipulierbarkeit eines Publikums, eines Zuhörers.

"Sprich, damit ich dich sehe!" ist jetzt der Hörspielbegriff, deshalb kommt es auf die Genauigkeit, auf die Farbigkeit, auf das Interessante an, auf das Neue, auf das Bewährte auch, dass im Kopf Bilder entstehen. Das ist wie bei jemand, der ein Buch liest. Möglicherweise wird daraus ein Film, aber er zunächst mal, beim Lesen, hat er seinen eigenen Film im Kopf. Wenn er dann später, im Kino, diese Geschichte nochmal sieht, wird er sagen; `Komisch, hab ich ganz anders gesehen, meine Version war besser, oder seine war besser.´  Das ist doch das, was Unterhaltung im besten Sinne ausmacht, dass man erzählt, anregt oder belustigt.


...aufklärt?

Aufklärend im Sinne von etwas erzählen, was einem nicht bekannt, oder nicht so, oder in den Zusammenhängen nicht so bekannt war, dann ja.


Welchen Anspruch haben Sie selbst, wenn Sie sich an ein Publikum wenden?

Wenn ich Regie führe habe ich mehr Einfluss, weil ich zum grossen Teil die Drehbücher selber schreibe. Dann weiß ich ziemlich genau, was das für ein Unternehmen ist. Ob das in einem eingebundenen Konzept am Ende meiner Intention wirklich entspricht, dafür gibt es zu viele Imponderabilien. Das ist dann im besten Fall so, als Gemeinschaft, die da etwas vorträgt.
Manchmal denkt man: nicht weil es falsch ist, aber weil es vielleicht zu wenig ist. Zu wenig sein ist auch frustrierend. Also dann muss man sich wieder noch mehr anstrengen, nur, wenn man das Potential, wenn man die Munition nicht hat, wie?


Vor ein paar Jahren wollten Sie Ihre Zuschauer noch atemlos machen.
Sind Sie ruhiger, besonnener geworden?

Nein, besonnener glaub ich bin ich nicht geworden  und mit atemlos meine ich nicht die Hektik.
Atemlos kann ja auch eine Ungerheuerlichkeit machen, eine schreiende Ungerechtigkeit oder eine ganz aberwitzige Situation, dass einem die Luft wegbleibt. Das hat ja auch was mit atemlos zu tun.
Im besten Sinne heißt atemlos machen auch mitreissen, mit auf die Reise nehmen. Das tut ein Erzähler doch auch. Ich erzähle Euch jetzt von Aladin oder von ich weiß nicht was. Da transportiere ich ja ein Wissen, was der Zuschauer möglicherweise nicht hat. Vielleicht kennt er die Geschichte schon, aber so hat sie ihm noch nie jemand erzählt. Wenn ich ein geschickter Geschichtenerzähler bin, dann lass ich auch den Humor nicht weg, versuche die Brechungen zu machen, versuche den Widerstand aufzufangen durch eine neue Begebenheit oder eine neue Volte. Das sind die Möglichkeiten. Wenn man sie beherrscht sind es auch die manipulativen Möglichkeiten, die aber auch Spass machen und die auch als Spass auf den Erzähler zurückkommen und ihn vielleicht zu noch anderen Leistungen steigern.


Kann man ihre Arbeit als Appell begreifen, seine Hoffnung nicht aufzugeben, wie festgefahren die Umstände auch sein mögen?

Manche Arbeiten, ja. Kraft geben, Mut geben, auch Mut zum Widerstand, auch Mut zu Zivilcourage.
Auch einfach zu sagen, komm, es ist zwar hart im Moment, aber ich krieg das wieder hin.


Dieser Mann, dem sein gesichertes Leben entgleitet, der den festen Boden unter den Füssen verliert, kann der nicht auch ein Beispiel dafür sein, dass man, wenn es schon nicht möglich ist, sich an den Dingen festzuklammern, doch alles dafür tun muss, seine Visionen zu behalten?

Ja, aber das gibt es bei Erfindern wie Curie, oder bis zu Galilei, seiner Behauptung, die dreht sich doch! Das sind auch Aussenseiter, obwohl sie eigentlich in einem festgefügten, vatikanischen, kleinen Kosmos wohnen. Die Infragestellung ist eine ganz wichtige Geschichte. Dass man sagt, jetzt bin ich glücklich, jetzt habe ich das erreicht, was ich wollte. Ja, ich bin wirklich glücklich ..und ist es das, oder was kommt jetzt, muss ich mich fürchten?
Oder kann ich mich auf die Bank setzen und sagen: jetzt hab ich noch 20 Jahre, um meinen Garten anzuschauen?
Ich glaube die Bewegung, dieses nicht stillstehen, dieses weiter neugierig zu bleiben, weiter hungrig zu bleiben, ist eine gute Vision die ich erzählen würde.
Der Mann, der aufgegeben hat, oder dem alles passiert ist, wie Hiob, der sagt: Scheisse, warum ausgerechnet ich? und warum mir alles, ein bisserl wäre ja noch akzeptabel, aber nun ganz alles, wie komm ich da wieder raus?
Wenn du ganz unten bist, dann wirst du ja nicht mehr akzeptiert, da gibt dir keiner ´nen Stück Brot mehr, oder ´ne Chance auf einen Job. Da verwahrlost man vielleicht, oder es scheint so. Dabei würde man alles jetzt besser machen, weil man durch diese Hölle gegangen ist und jetzt mehr über das Leben weiss und darüber, was einem passieren kann.


Worauf muss man hungrig sein?

Hungrig heisst in dem Kontext, neugierig zu bleiben, sich nicht mit irgendetwas zufrieden geben. Da muss doch noch was sein, was kommt danach oder warum ist das so einfach gewesen, warum passiert mir das und anderen nicht?


Wider die Gemütlichkeit?

Ja, gegen das Gesättigte.


Geht Ihre Rebellion auf die Zeit von und Figuren wie James Dean zurück?

Nein, glaube ich nicht. Das ging schon los, da wusste ich noch nichts von James Dean. Da wo ich aufgewachsen bin, und unter den Umständen gleich nach dem Kriegsende, das sind Situationen, da fängt man anders an. Das ist historisch bedingt und das hat mit meiner familiären Situation zu tun. Mein Vater kam erst 47 aus dem Krieg zurück, aus der Gefangenschaft. Meine Mutter und ich waren alleine, und als mein Vater zurück war, musste er nochmal studieren und ich war wieder auf der Strasse und hatte einen Schlüssel. Dann wächst man in so einem Bezirk auf, in dem Dreieck St. Pauli, Altona, Eimsbüttel in Hamburg und das zwischen den Trümmern, das prägt einen. Na, da ging es in so jungen Jahren schon um eine Art Überleben, oder wie man sich positioniert. Das ging dann soweit, dass ich manchmal ein schwer beherrschbares Kind war. Nicht dass ich meine Eltern nicht geliebt hätte, oder umgekehrt, aber ich hatte, sagte man, einen dicken Kopf. Aber das sagt ja nur, dass ich irgendwas im Kopf hatte, was raus wollte.
Das ging dann bis in die Verweigerung, als ich vom Internat flog, kurz vorm Abi, weil ich den Pastor verhauen habe, weil ich ihn einen schlechten Christen fand. Und mein Grossvater dachte, ich würde seinen Betrieb übernehmen und ermöglichte mir eine kaufmännische Lehre, wo ich nach einem halben Jahr die Flucht ergriff und meinen Weg ging.
Diese Art von Rebellionsstationen gab es schon davor. Natürlich ist so eine Figur wie Dean eine sympathische, vor allem in  East of Eden. In Giants dann schon nicht mehr, aber da kommt der Mythos, der frühe Tod durch das Autorennen in Salinas, und und und dazu.
Da ist auch mehr drum gewoben, als vielleicht am Ende wirklich da war. Aber, ich bin jetzt 56 und immer noch der alte Rebell zu sein ist eine Rolle, bei der ich sehr aufpassen muss. Ich kann hundert mal von mir behaupten: Ich bin noch der alte Robin Hood, aber das würde man mir so nicht abnehmen, und es stimmt nicht. Dass ich irgendwie was tun würde, könnte ich noch glaubhaft vermitteln, aber welche Rollen gibt es dafür?
Ich hatte mal einen Moment versucht ein anderes Gleis zu fahren. Das hat auch immer mit den Angeboten zu tun. Ich habe das genannt: "Die lächerlichen Männer", und das sind auch wieder Aussenseiter.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen