Interview mit Vadim Glowna






Warum sind die lächerlich?

Weil sie sich lächerlich benehmen. Das heißt, sie sind zum Lachen. Sie handeln unter ihrem Niveau. Sie sind verblendet, weil sie ihre Jugend, oder ihr Alter unterschätzen. Weil sie glauben, sie können es noch mal ebenbürtig mit Jungen aufnehmen. Dabei wird ihnen klar, das sie das nicht mehr sind und dass ihre persönliche, gewachsene, gesellschaftliche Stellung so nicht mehr existiert und das Fundament nicht mehr stimmt.
Das kann ein schmerzhafter Prozess sein. Kann auch ein heilsamer sein, aber so wie sie sich benehmen, fordert das zum Lachen, weil sie so tun, als seien sie junge Hirsche, sind aber sehr alte Böcke.


Was war ihre letzte Rolle?

Die Figur, das Schicksal Heinrich George, die letzten Monate vor seinem Tod, kurz bevor er ins KZ kam, wo er dann starb. Die peinliche Befragung der roten Armee. "Warum haben sie als Mitläufer, als Kollaborateur, so eng mit den Nazis zusammengearbeitet und was haben sie sich dabei gedacht?" Die Vorwürfe sind, zumindest aus russischer Sicht, verstehbar und nicht mal unfair, aber sie picken natürlich die Schwächen und die Anklagepunkte besonders heraus. Da muss man dann fragen, warum hat dieser Mann so laut hurra geschrien?
Das haben andere auch gemusst, aber nicht getan, oder haben sich intelligenter aus der Affäre gezogen. Das hat ihn und seine Arbeit fragwürdig gemacht. Für welchen Zweck wurde sie benutzt, oder für welche Propaganda dann auch? Warum ist er da gescheitert? Warum war ihm seine Karriere, war ihm sein Spielen so wichtig? Denn er war ja kein schlechter Mensch, kein Verbrecher. Aber es geht um ein denkwürdiges Verhalten in schwieriger Zeit.
Solche Themen sind auch wichtig, gerade in Bezug auf eine Diktatur, also Mensch und Macht, also Künstler und Macht. Da hängt auch das DDR Thema mit dran und die Künstler im kommunistischen Block, oder einfach generell. Dafür steht diese Figur in diesem Film, die ich gespielt habe.


Falsche ziele sind verständlich, weil von Menschen gemacht.

Aber das entschuldigt sie nicht


Bedenkt man aus welcher Zeit er kommt. Da hatten sich viele moderne Zynismen  zum ersten mal breit manifestiert

Aber das muss sich ja ein ganzes Volk, eine ganze Nation fragen: "Was ist mit uns passiert?"
Passiert ist in 1918 ein verlorener Krieg, die Abdankung einer Monarchie zugunsten einer Demokratie mit den grössten Hoffnungen, mit einer Verfassung, die vorbildlich bis heute rüber scheint und die wir auch zum grossen Teil in unserer zweiten Republik übernommen haben. Aber gleichzeitig herrscht Desorientierung, Verarmung, das Industriezeitalter zeigt sich von seiner fürchterlichsten Fratze, ... der Börsenkrach 29, Verlust der Ideale. Da kommt jemand und macht ein Angebot und schafft Arbeit und mit einer gewissen Brutalität wird ein Programm durchgesetzt. Gleichwohl wird dieser Mann gewählt und nicht zu knapp. Er hat keinen Putsch gemacht, wie andere Diktatoren in Südamerika, sondern er wurde gewollt, gleichwohl man wusste, was der Mann für ein Programm hatte. Jeder konnte Mein Kampf lesen. Vielleicht mochte das nicht jeder, aber er hatte es doch zu hause. Warum haben jüdische Mitglieder das 1930 nicht nur gewusst, sondern haben Konsequenzen gezogen, d.h. sie haben das Land, ihre Sprache, ihren Kulturkreis verlassen, wie Fritz Lang oder Lubitsch oder andere. Da war ja noch nicht mal so viel los - und wenn ich, aus der Provinz, an dem Tag, nun endlich in Berlin und Hauptrollen spielen am Gendarmenmarkt, und ich wüsste wirklich einiges, oder echt viel, viele bestreiten ja, dass man überhaupt etwas wissen konnte, aber wenn ich den völkischen Beobachter dieser Jahre lese, dann weiß ich doch was los ist.
Das ist eine Entscheidung für´s Leben. Gehe ich dann, oder bleibe ich? Mache ich mit, oder beruhige mich, indem ich sage, das ist ein Spuk, der ist gleich wieder vorbei. Aber spätestens 38, nach der Kristallnacht, und da muss ich nicht Jude sein, muss ich im Widerstand verschwinden oder ich muss emigrieren. Aber das sagt man einfach so, wissen wir das genau von uns?


Peter Zadek hat davon gesprochen. Der Hauch der Ewigkeit, den das Theater mitbringt. Gibt es den auch im Film? Filme werden immer schnelllebiger, werden am Reissbrett für den Zuschauererfolg berechnet.

Das ist das eine, aber unterstellen wir mal, Krieg der Sterne ist so gedacht. Es ist auch ein Denkmal der Filmgeschichte. es wird sicher auch in 100 Jahren noch, im Zeitalter von Cyberspacekino, wenn auch museal dann, ein Stück Filmgeschichte sein. Filme können natürlich länger überdauern, und ich muss jetzt nicht Bogart oder Monroe nehmen. Das sind ja nicht nur Ikonen, weil sie so gut aussehen, sondern weil sie in einem bestimmten Film als Ausdruck ihrer Zeit, ihrer Gesellschaft , so kongenial funktioniert haben.
Das sind nun auch Filme, die von Regisseuren geschaffen wurden, deren Namen man oft vergisst hinter diesen Ikonen. Das gehört auch dazu.


Sie haben dich Hoffnung, dass es auch weiterhin Geschichtenerzähler geben wird, nicht nur Clips?

Da bin ich ganz sicher. Diese Clip-geschichte ist eine Entwicklung, die nicht aufgehalten werden wird. Warum auch, es ist eine logische Entwicklung. Aber so wie es das Theater weiter geben wird, wird es den Kinofilm weiter geben, wird es auch eine Fernsehberichterstattung geben, die gar nicht clipmässig vermittelt werden kann, die eine gewisse Länge und Konzentriertehit und Ausdauer braucht. Ich nehme an, dass bei all dieser Clipästhetik, also allem was nach MTV an Ästhetik in die Filme kommt, das Pendel auch zurückschlagen wird und die Leute vielleicht auch etwas kontemplativer Geschichten sehen wollen. Das merkt man an Kinderfilmen, das merkt man an Dokumentarfilmen, die auf einmal ein beachtenswertes Publikum finden.
Ich denke, dass Filme, wie Cinema Paradiso oder Eskiya auch ihre Chance haben.
Und es wird auch wieder neue Filmästhetiken geben, die vielleicht eine Mischung daraus sind oder vielleicht gar nicht mehr über ein Bildschirmgerät, sondern über eine Droge, eine Pille, die man einnimmt, entstehen können. Was sind das dann für Filme? Was sind das für Geschichten, die erzählt werden, was für Bilder empfängt man? Ist das das eigene Bild, das man von etwas hat, oder ist das wieder eine Vorschlag, ein Konzept, um das Strenge zu nehmen, von jemand anders? Denn auch Drogen werden von anderen Menschen hergestellt, oder von Fabriken.


Haben Sie eine Zielgruppe vor Augen, wenn Sie einen Film realisieren?

Nein, ich habe keine Zielgruppe. Das würde ja heissen, dass ich, ausgerechnet ich, Menschen ausgrenzen würde.


Die meisten Kinobesucher sind unter 30 Jahre.

Ja wunderbar. Weil denen kann ich ja was erzählen, was sie nicht kennen. Den anderen, über 30 Jahren, kann ich etwas erzählen, was sie kennen. Die können das bestätigen, oder sentimental darüber werden oder was weiß ich.


Neuerdings habe ich das Gefühl, dass es bei Filmen immer weniger um ein Kulturgut, dafür mehr um ein Wirtschaftsgut geht. Ärgert sie das?

Nein, ein Wirtschaftsgut ist das Brot, ist die Butter, ist das Gemüse, da könnte ich nicht gegen sein. Also ich finde gutes Brot besser als schlechtes und frisches Gemüse besser als vergammeltes.
Kultur kann ein Wirtschaftsgut sein, weil es durch die Multiplikation, durch die Vielfalt mehr Menschen erreicht und nicht nur Eliten. Kultur darf nicht den Wenigen, einer Elite oder anderen Minderheiten vorbehalten sein, sondern muss verbreitet werden können. Damit ist es dann wirtschaftlich. Produzenten, die nur für 5000 Zuschauer arbeiten, machen was falsch. Wenn sie sich zufrieden geben und sagen, aber es war ein guter Film, ist das doppelt falsch, weil dann ist es auch noch eine Kapitalvernichtung.
Aber ich denke, eine gute Geschichte sollte, mit Leistungen im Film, im Theater, in der Oper, in der Literatur, so sie denn gut ist, oder, wenn demokratische Vielfaltsentscheidungen möglich sind, allen zugänglich sein. Ob sie das Angebot annehmen, andere Geschichte.


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